Nach ihrem Auftakt im Jahr 2015 lud die Gesellschaft Oberschwaben in diesem Jahr zum zweiten Teil der Tagungsreihe zur Wirtschaftsgeschichte Oberschwabens ein. Neben den renommierten Wissenschaftlern, die die Tagung unter anderem als Moderatoren und Referenten mitgestalteten, durfte der Vorsitzende, Prof. Dr. Thomas Zotz, über 50 Zuhörer in der Schwäbischen Bauernschule in Bad Waldsee begrüßen, die der Einladung der Gesellschaft Oberschwaben gefolgt waren, um während der dreitägigen wissenschaftlichen Tagung die „Wirtschaft in Oberschwaben 1600-1850“ zu erkunden und zu diskutieren.
Wie schon bei der ersten Tagung, so erläuterte Frau Prof. Dr. Sigrid Hirbodian bei der Begrüßung, folgte die Tagung zum einen dem Prinzip der Epoche übergreifenden Anlage zwecks Erweiterung des Erkenntnispotentials bzw. der Hinterfragung der Rolle solcher strikten Epochentrennung in der historischen Forschung und zum anderen der Verschränkung von städtischem und ländlichem Raum sowie die Verbindung strukturgeschichtlicher und akteurszentrierter Forschung, wobei das Programm analog zur ersten Tagung in drei Sektionen untergliedert wurde, deren Fokus zum ersten auf Umwelt- und raumstrukturelle Faktoren, zum zweiten auf Gewerbe und Handel und zum dritten – last but not least – auf die wirtschaftlichen Akteure gerichtet war.
In Sektion 1 zu Umwelt, Energie und Strukturwandel stellte Dr. h.c. Elmar L. Kuhn in einer in der Forschungs-landschaft selten anzutreffenden Epochenzusammenstellung die Wirtschaftsregion Bodensee mit Oberschwaben, der Nordostschweiz und Vorarlberg von der Frühen Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, d. h. bis zum Ersten Weltkrieg vor, da – so Kuhn – Entstehung und Entwicklung der Wirtschaftsregion Oberschwaben nur aus dem Kontext überregionaler Entwicklungen heraus verständlich wird. Im Anschluss an die rege Diskussion zu Dr. Kuhns Vortrag, erläuterte Prof. Dr. Andreas Schwab in seinem Vortrag die Entwicklung von Klima, Witterung und Böden in den unterschiedlichen oberschwäbischen Landschaften. Prof. Dr. Werner Konold sprach über die Wasserwirtschaft in Oberschwaben im 18. und 19. Jahrhundert, wozu u. a. die Moorkultivierung, Weiherwirtschaft und Fischproduktion ebenso gehörten wie der Fluss- und Gewässerausbau und die Wasserkraftnutzung. Im Anschluss daran ging Frau Dr. Barbara Rajkay in ihrem Vortrag „Die Räder des Fortschritts. Entwicklung und Ausdifferenzierung des Augsburger Mühlenwesens“ speziell auf das Stichwort Wasserkraftnutzung ein und zeigte am Beispiel Augsburgs die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Stadt sowie den Funktionswandel der Mühlen auf. Dr. Peter Eitel illustrierte die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung Oberschwabens im Königreich Württemberg und Frau Dr. Christine Krämer brachte den Zuhörern den Weinbau oberschwäbischer Klöster am Bodensee im 18. Jahrhundert näher.
Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages folgte noch ein besonderer Programmpunkt: die Vorstellung des Tagungsbandes „Herrschaft, Markt Umwelt. Wirtschaft in Oberschwaben 1300-1600“ mit den Beiträgen der Referenten der ersten Tagung, den Rainer Maucher vom Verlagsbüro Wais & Partner den erfreuten Herausgebern, Initiatoren und Organisatoren der Tagungsreihe, Frau Prof. Dr. Sigrid Hirbodian, Prof. Dr. Rolf Kießling und Dr. Edwin Ernst Weber, feierlich überreichte. Die musikalische Begleitung der Buchvorstellung übernahm der Saulgauer Stadtbarde, Michael Skuppin.
Am zweiten Sitzungstag leitete die Sektion 2 zu Gewerbe und Handel Prof. Dr. Frank Göttmann ein mit seiner Darstellung der dreidimensionalen Marktgeschehens auf dem Fruchtmarkt am Bodensee in der Spätzeit des Alten Reiches, gefolgt von Dr. Anke Sczesny, die über das Handwerk in Stadt und Land im frühneuzeitlichen Oberschwaben östlich der Iller sprach und infrage stellte, ob dessen Niedergang im 18. Jahrhundert der Krise des 17. Jahrhunderts geschuldet war oder ob die Ursachen hierfür nicht schon vor dem Dreißigjährigen Krieg gesetzt worden waren. Nach einer kurzen Pause stellte PD Dr. Magnus Ressel seine Forschungsergebnisse zum Thema „Spätblüte der oberdeutschen Reichsstädte. Händlernetze zwischen Südfrankreich, Italien und dem Alten Reich gegen Ende des 18. Jahrhunderts“ vor. Dr. Ressel hielt sich auch im Vortrag eng an die Quellen und veranschaulichte anhand derer u. a. wie das Händlernetz der Reichsstädte einen effizienten Handel generierte, dass solche Netze durch Heiratsallianzen verdichtet wurden, die höher anzusiedelnde Bedeutung konfessioneller im Vergleich zu der nationaler Zusammengehörigkeit und welche Rückschlüsse auf Handelsbeziehungen möglich sind anhand der Rückverfolgung der Aufnahme auswärtiger Lehrlinge, die während ihrer Ausbildung im Ausland Kontakte knüpften, über die Ausbildung hinaus aufrechterhalten, vertiefen und darauf erfolgreiche Geschäftsbeziehungen aufbauen konnten.
Nach der Mittagspause wurde dann die Sektion 3 zu den wirtschaftlichen Akteuren eingeleitet, die den größten Raum im Tagungsprogramm
einnahm und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch am Samstag noch beschäftigte. Wie schon auf der ersten Tagung spielten die obrigkeitlichen, wirtschaftlichen Akteure in Gestalt der Klöster,
des Adels und der Städte auch im 17. bis 19. Jahrhundert bedeutende Rollen und standen an diesem Nachmittag im Mittelpunkt des Interesses: Dr. Janine Maegraith erläuterte das klösterliche
Wirtschaften am Beispiel der Zisterzienserinnenreichsabtei Gutenzell und stellte die These zur Diskussion, frauenklösterliches Wirtschaften beruhe darauf und unterscheide sich wesentlich etwa von
dem Wirtschaftsstil von Adelshäusern dadurch, dass anders als in Adelshäusern keine Sorge hinsichtlich des „Aussterbens“ des Hauses aufkamen, sondern von einem langfristigen Bestehen ausgegangen
werden konnte, was etwa die Aufnahme von Krediten in Krisenzeiten als vertretbares Krisenmanagement erscheinen ließ.
Dr. Stefan Lang, dessen Vortrag zu „Wandlungsphasen und Kontinuitäten. Juden in der Wirtschaft Oberschwabens von 1600–1864“ aus organisatorischen Gründen am Freitag vorgezogen wurde, sprach über die Diskriminierung, Vertreibungen sowie Migration, aber auch Ansiedlungsmöglichkeiten von Juden in Oberschwaben und zeigte u. a. auf, wie sich anhand von Rechtskonflikten die Netzwerke dieser marginalisierten Akteure aufzeigen lassen. Zum Abschluss des Tages stellte Doris Astrid Muth M.A. ein Fallbeispiel vor („Dienst, Karriere, Prestige. Wirtschaftliche Überlebensstrategien des oberschwäbischen Niederadels am Beispiel der Familie Stauffenberg“). Dr. Dominik Gerd Sieber, von der Gesellschaft Oberschwaben für seine Forschung zur Sepulkralkultur in den oberschwäbischen Reichsstädten in der Frühen Neuzeit ausgezeichnet mit dem Franz-Ludwig-Baumann-Preis, lieferte uns einen Werkstattbericht zur Frage der Konfession als Faktor in der Wirtschaft der oberschwäbischen Reichsstädte, in dem er anhand des Forschungsstandes aufzuzeigen suchte, welche Forschungsdesiderate und -perspektiven in Hinblick auf die Korrelation von Wirtschaft und Reformation aktuell zu konstatieren sind und sprach sich außerdem für eine stärkere Beachtung kulturgeschichtlicher Ansätze und einer stärker akteurszentrierten Forschung aus.
Am dritten und letzten Tag der Veranstaltung schließlich galt die Aufmerksamkeit den Korporationen, den unteren sozialen Schichten und insbesondere den sozialen Verhältnissen, Interaktionen und Konflikten zwischen den verschiedenen Akteuren. Dazu hielt die Trägerin des Franz-Ludwig-Baumann-Preises der Gesellschaft Ober-schwaben, Dr. Senta Herkle, einen Vortrag mit dem Titel „Die Zünfte der Weber und Kaufleute in Ulm. Organisation – Produktion – Interak-tion (1650–1800)“ und erläuterte die Rolle der Weberzünfte als Akteu-re im reichsstädtischen Marktgeschehen und das damit verbundene innerstädtische Konfliktpotential. Kreisarchivar und Geschäftsführer der Gesellschaft Oberschwaben, Dr. Edwin Ernst Weber, sprach über den Gegensatz von arm und reich und die sozialen Verhältnisse und innerdörflichen Konflikte an der Oberen Donau im 18. Jahrhundert. Ariane Schmalzriedt arbeitete mit ihrem Vortrag die „barocke Sakralbautätigkeit in den Dörfern zwischen Donau und Iller“ auf, indem sie zeigte, welche Personengruppen als Akteure in solchen Projekten involviert waren, sich engagierten, aber auch vernetzt waren und profitierten. Weiterhin umriss sie die Handlungsspielräume und Strategien der Akteure zur Umsetzung der sakralen Bauprojekte. Aus organisatorischen Gründen an den Schluss rückte Dr. Volker Trugenberger mit seinem Beitrag zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Fürstenhäuser Hohenzollern um 1800, in welchem er insbesondere das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben aufschlüsselte und erläuterte.
Dass wie schon bei der ersten Tagung 2015 auch während dieser dreitägigen Veranstaltung eine „bereichernde Interdisziplinarität“ zutage trat, wie die Mitinitiatorin der Reihe, Prof. Dr. Sigrid Hirbodian, zufrieden resümierte, zeigte nicht zuletzt auch die rege Beteiligung der Zuhörer, deren Nachfragen und Diskussionen, die jedem der Beiträge folgten, von den Moderatoren Prof. Dr. Stefan Sonderegger, Prof. Dr. Gerhard Fouquet, Prof. Dr. Peter Rückert, Prof. Dr. Dietmar Schiersner und Prof. Dr. Rolf Kießling souverän und charmant gelenkt, aber auch mit eigenen Beiträgen begleitet wurden.
Die Gesellschaft Oberschwaben dankt den Moderatoren, Referentinnen und Referenten und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Ihre Beiträge und Ihr Interesse und freut sich auf die Entstehung des nächsten Tagungsbandes sowie die Nachfolgetagung, d. h. den dritten Teil der Tagungsreihe zur Wirtschaftsgeschichte in Oberschwaben.